Die Fans haben sich nach dem misslungenen Start in die Restserie einen Stimmungsboykott auferlegt, ein Nachfolger für den zum Saisonende wechselnden Trainer Argirios Giannikis ist auch noch nicht gefunden. Darüber haben wir mit RWE-Kapitän Benjamin Baier im Interview gesprochen.
Der 29-Jährige erzählt darin auch, wie es um die Verhandlungen um einen neuen Vertrag steht. Außerdem spricht er auch über das Verhältnis zu seinem Bruder Daniel, der beim Bundesligisten FC Augsburg als Kapitän aufläuft, wie es um seine Zukunft nach dem Fußball steht und was noch sein größter Traum in den nächsten Jahren ist.
Benjamin Baier, seit zwei Spielen gibt es einen Stimmungsboykott im Stadion Essen. Wie haben Sie davon erfahren? Vor dem Pokalspiel kamen ein paar Fans zum Training und haben das Gespräch mit uns gesucht. Sie haben uns ihre Sichtweise dargestellt und ihre Entscheidung mitgeteilt. Das müssen wir so akzeptieren. Man kann es aufgrund unserer Leistungen auch verstehen. Sie erwarten, dass wir in Vorleistung treten, aber wir sind drauf und dran, das wieder hinzubekommen. Wir wissen alle, was an der Hafenstraße los sein kann. Das ist für jeden Spieler etwas richtig geiles. Wie fühlte sich das auf dem Platz an, wenn statt Anfeuerungen nur noch Gemurmel von den Tribünen kommt? Man nimmt das natürlich wahr. Gegen Mönchengladbach war zwar schon auch etwas Stimmung da, aber es war nicht so, wie man es hier gewöhnt ist. Es hatte Testspielcharakter. Aber da muss man auch die Fans verstehen. Wir haben uns das selbst eingebrockt, aber wir arbeiten daran, dass sie wieder Alarm machen.
Wie ist das Verhältnis wieder zu kitten? Wir können nur versuchen, das auf dem Platz durch Leistung hinzubekommen. Wir wünschen uns alle die Unterstützung. Aber wir haben es trotz des Stimmungsboykotts hinbekommen zwei Spiele zu gewinnen, vor allem das Pokalspiel war für uns und das Umfeld wichtig. Wie würden Sie denn die bisherige Saison bewerten? Wir sind alle enttäuscht, dass wir nicht das gebracht haben, was wir uns vorgestellt haben. Wir sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben und haben viele Spiele gemacht, die nicht gut waren, da reden wir nichts schön. Wie könnte die Saison noch versöhnlich enden? Wichtig ist, wenn man von Zielen redet: Wir wollen den Pokal gewinnen. In der Liga heißt es dann, so viele Punkte wie möglich zu holen, damit wir in eine andere Tabellenregion kommen. Aber auch dann reden wir trotzdem von einer Saison, mit der wir nicht zufrieden sein können. Wäre Ihnen RWO oder der FSV Duisburg im Finale lieber? Ich kann es eh nicht beeinflussen, deswegen sage ich immer, dass es mir egal ist. Ich bin jetzt dreieinhalb Jahre hier, wir haben es dreimal geschafft, in der ersten DFB-Pokalrunde zu stehen und ich hoffe auf ein viertes Mal. Man hat gesehen, was in den Pokalspielen los war, etwas schöneres gibt es für uns außerhalb der Liga nicht. Aber davon sind wir noch sehr weit weg. Die Vorbereitung lief ordentlich, aber wie konnte man dann mit einem Punkt aus drei Heimspielen in die Restserie starten? Darüber haben wir viel gesprochen. Gegen Bonn dürfen wir nicht verlieren und gegen Wattenscheid und Uerdingen haben wir uns die Butter vom Brot nehmen lassen. Da hast du bis zur 85. oder der 90. Minute alles richtig gemacht und dann kriegst du vier Tore. Obwohl du eigentlich alles im Griff hast, bist du am Ende der Depp. Die richtige Erklärung habe ich auch nicht. Das war einfach unfassbar.
Inwieweit spielt die Situation um den Trainer - Herr Giannikis wird zum Saisonende wechseln - bei dem misslungenen Start ins neue Jahr eine Rolle? Der Trainer hat seine Entscheidung damals mitgeteilt. Ab diesem Zeitpunkt war die Sache gegessen. Wir können es ja sowieso nicht ändern. Das ist kein Thema. Wie und was da war, hat uns nicht zu interessieren. Der Rest wird vom Verein geklärt. Es ist nie schön, wenn es mit einem Trainer über einen Zeitraum funktioniert und er geht, aber was sollen wir Spieler da machen? So ist das Fußballgeschäft. Uns steht es da nicht zu, das zu beurteilen, wie das abgelaufen ist. Das hat uns nicht zu interessieren. Giannikis wird für den Wechsel kritisiert. Es heißt, er sei mit den Gedanken woanders. Hat sich seit seiner Bekanntgabe irgendwas verändert? Das kann ich nicht bestätigen. Er bereitet uns ganz normal auf die Spiele vor und beim Training ist er auch da. Da haben wir keine Hinweise für. Ich glaube, er ist da auch Profi genug. Am Samstag hing hinter dem Tor ein Plakat „Lösungen finden! Trainer raus, jetzt!“ Wie nimmt man das als Spieler auf dem Platz wahr, wenn man das sieht? Man nimmt das zur Kenntnis. Ich kann da nur von mir reden. Klar, sieht man das, aber es beeinflusst das Spiel nicht. Ihr Vertrag läuft aus. Inwiefern hat die Trainersuche Auswirkungen auf Ihre Entscheidung? Ich würde natürlich gerne wissen, wer uns nächste Saison betreuen sollte. Ich denke, dass der Verein mit dem Trainer auch über die Personalien sprechen wird. Auch über meine. Er wird seine Meinung kundtun und dann werden wir weiterschauen. Wir sind in guten Gesprächen, ich kann mir das absolut vorstellen. Ich liebe es, hier zu spielen. Ich bin Kapitän, das ist auch eine Ehre für mich, das lässt man alles in die Entscheidung einfließen. Es ist eine schöne intensive und lange Zeit bisher. Ich fühle mich wohl. Gibt es irgendetwas, bei dem Sie gesagt haben, dass es verändert werden muss, wenn Sie verlängern sollen? Man tauscht sich in den Gesprächen aus. Ich glaube, jeder hier hat den Wunsch aufzusteigen. Das war auch der Plan, als ich hierhergekommen bin. Aber dass ich irgendwelche Forderungen stelle, so läuft das nicht.
Im Juli werden Sie 30. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was danach sein wird? Natürlich habe ich mir die schon gemacht. Ich habe aber noch nichts, wo ich sage: Das will ich werden! Gefühlt will ja jeder im Fußball bleiben und Trainer werden, aber da gibt es nur begrenzte Stellen. Ich hab das zwar schon im Blick, aber ich würde das gerne noch ein paar Jährchen nach hinten schieben. Haben Sie schon einen Trainerschein? Nein, aber es ist eine Überlegung, ihn zu machen. Das dauert schließlich seine Zeit. Hatten Sie denn als Kind einen Traumberuf? Ich komme aus einer Fußballer-Familie, da tickt jeder völlig verrückt. Als Kind wollte ich schon immer Fußballer werden, andere Träume hatte ich nicht. Gibt es im Fußball noch einen Traum, den Sie verfolgen? Ja, irgendwann mit meinem Bruder zusammen auf dem Platz zu stehen. Das haben wir bisher nicht geschafft, aber ich fürchte, das wird auch nichts mehr werden.
Eher zum Karriereausklang in einer tiefen Liga. (lacht) Ja, so etwas vielleicht. Welche Bedeutung hat Ihr Bruder für Sie? Eine sehr große. Er ist für mich eine wichtige Ansprechperson. Wir haben sehr guten Kontakt und sprechen mehrmals die Woche. Natürlich ist auch seine Meinung bezüglich der Vertragssituation wichtig, genau wie die meines Vaters. Schaffen Sie es denn mehr oder weniger regelmäßig, Ihre Spiele gegenseitig zu sehen? Bei uns ist es ja nicht so einfach. Die Live-Spiele, die im Fernsehen laufen, schaut er sich natürlich an. Andersrum geht es natürlich leichter. Am vergangenen Wochenende war Länderspielpause. Schafft er es an solchen Wochenenden mal vorbeizuschauen? Er hat es bis jetzt noch nicht geschafft, ein Spiel von uns zu sehen. Er will immer, aber irgendwie haben wir es noch nicht hingekriegt. Bis Augsburg ist es ja auch nicht gerade um die Ecke, aber ich hoffe, dass es irgendwann einmal möglich ist.